"Wald fad..."
Ich war stinksauer. Sauer auf mich, sauer auf den Regenwald
und noch viel saurer auf Michael, der auf meinen Vorschlag, die Wanderung abzublasen, so gar nicht eingehen
wollte. "Jetzt bin ich hier", meinte er lakonisch, "und jetzt gehe ich auch in diesen verdammten
Wald und besteige diesen verdammten Berg. Entweder Du kommst mit, oder ich gehe alleine". Er sagte es in
genau dem Ton, den ich schon immer so sehr verabscheut hatte, weil Debatten, die an diesem Punkt angelangt
waren, für mich immer noch schlecht ausgegangen waren. Ich überlegte einen kurzen Moment lang,
ob ich alleine zurückbleiben wollte. In meiner Vorstellung machten sich sämtliche Spinnen in
unserer Hütte mit einem siegessicheren Grinsen über mich her. Dieser Gedanke war einfach zu
schrecklich. Ich rappelte mich hoch, durchnäßt bis an die Knochen, und überquerte mit
Todesverachtung den Fluß.
Nach etwa einem Kilometer, für den wir eine dreiviertel Stunde benötigt hatten, machte uns
Leon darauf aufmerksam, daß just an dieser Stelle der sekundäre Regenwald in den primären
überginge. Auf die Frage, woran er das denn erkennen würde, bewies er, daß auch er dieses
mitleidige Lächeln vortrefflich beherrschte. Seine Antwort, bei der ein gewisser abfälliger
Unterton nur schwer überhörbar war, lautete: "Das ist doch nicht zu übersehen. Eine
ganz andere Vegetation". Nun, wir standen inmitten tropischer Topfpflanzen. Eine sah für mich
aus wie die andere. Ich zog es vor, keine weiteren Fragen mehr zu stellen. Ich wollte kein weiteres
Lächeln riskieren. Während wir so vor uns hinstapften, zerbrach ich mir den Kopf über
die Frage, wer von uns dreien, einen derart üblen Geruch verbreitete. War ich das, weil ich ins
Wasser gefallen war? Oder war es einer der beiden anderen? Es war keiner von uns. Es war der Wald. Es
roch, als hätte man das Wasser längst verblühter Pflanzen in einer Vase wochenlang nicht gewechselt.